An meinen Dad
Ich wurde in eine Familie hineingeboren, die recht bald in die Brüche gehen sollte. Nach drei Jahren meines Lebens bist du gegangen -mit meiner damaligen Sicht der Dinge- einfach so. Nie hast du mit mir gespielt, nur einmal, das weiß ich noch: ich saß da in meiner schwarzen Tonne, in der sich normal immer meine Spielzeugautos befunden haben und hatte einen Eimer über meinen Kopf gestülpt...und hab gelacht. Ich war so glücklich endlich mal mit dir zu spielen! Und traurig, weil ich wusste, dass es nur wegen der Fotos war....
Zu meinem ersten Schultag, da hast du mich überglücklich gemacht. Ich war als ich aus dem Schulgebäude hinaus ging so wahnsinnig aufgeregt, ob auch ich, wie so viele andere Kinder, in die Arme meines Vaters rennen dürfte, von dem ersten Tag und der Klasse, der Lehrerin,usw. nicht nur meiner Mam und meiner Oma erzählen würde, sondern auch dir. Und da standst du dann. Ich wusste gar nicht wie ich mich verhalten soll. Ich war so gespannt gewesen und aufgeregt ob du kommst- und in dem Moment an dem du dann da warst, warst du mir fremd. Zwar hatte ich dich auf Bildern gesehen, aber Erinnerungen an dich waren verschwinden gering. Dass ich an einem Wochenende als ich drei war, bei dir gewesen sein sollte, das erschien mir wie ein Traum aus längst vergangener Zeit....
Nun, du bliebst an meinem ersten Schultag für 10min bei uns in der Wohnung, hast mir eine rote Schultüte überreicht mit Elefanten darauf und vielen Süßikeiten darin und einer Doktorbarby. Die Süßigleiten füllte ich in meine pinke Puppenbadewanne- nach zwei Tagen war sie leer....
An Weihnachten warst du glaube ich einmal da,wir haben dich einmal in "deinem Haus" besucht und ich durfte auf einem Parkplatz, an dem wir dich zufällig getroffen hatten, mit dir eine Runde auf deinem Motorrad drehen. An mehr Begegnungen mit dir aus meiner Kindheit kann ich mich nicht erinnern.
Als ich meine heilige Kommunion empfangen sollte, warst du eingeladen. Warum du nicht kamst weiß ich bis heute nicht. Mir kamen nur "Gerüchte" zu Ohren, du wärst erkältet bzw. würdest deine Flitterwochen mit deiner neuen Frau verbringen. Ich war enttäuscht und gekränkt. Ich wusste schließlich, dass es normal ist, dass man einen Vater hat, der vor allem bei besonderen Anlässen immer dabei ist. Du warst nicht dabei. Und ich fing zu zweifeln an: hab ich keinen Vater, sondern nur einen Erzeuger? Wo ist mein Vater all die Jahre gewesen? Ich beschloß keinen Vater, sondern einen Erzeuger zu haben.
Mit 10 Jahren erhielt ich dann am 10.März, nachträgliche Geburtstagsgrüße von dir mit der angedeuteten Frage, ob ich auch wirklich am 03.März Geburtstag hätte. Du schicktest mir Fotos von Rehen und deiner damaligen Frau. Was sollte ich damit anfangen? Deine Frau kannte ich nicht und wollte auch nichts mit ihr zu tun haben, sondern wenn dann erst einmal mit dir. Und Rehe? Mir fehlte der Bezug.
Zwei Jahre später leutete es an der Tür, du warst da, ludst mich bald darauf zum Chinesen ein. Meine Hoffnung wuchs, vielleicht doch noch einen Vater zu bekommen-meinen Vater zu erleben- wie man es sich klassisch so vorstellt. Einen liebevollen Vater, der seine Tochter in die Arme schließt, ihr sagt, dass er sie lieb hat, mit ihr kleine Ausflüge unternimmt usw. WIe es an diesem Tag weiter ging weißt du selbst.
Als ich 15 Jahre alt war, sah ich dich bei einer Gerichtsverhandlung wieder. Du kamst mir rießig, kühl und bedrohlich wie ein Schwarzbär vor.
Und dann....begann der Terror. Ich wusste, dass du mich verfolgst- in Gedanken und dass ich irgendwas machen müsste. Ich ging zu einer Therapeutin. Dort lernte ich langsam so einiges. Erst einmal stellte ich fest, dass ich mit Jungs überhaupt nicht umgehen konnte, weil ich sie immer wieder für deine Fehler verurteilte. Nach einem Jahr hatte ich systematisch den normalen Umgang mit dem anderen Geschlecht gelernt, was noch blieb: der abgrundtiefe Hass auf einen Vater, der für mich nie da war, der mir nie gesagt und gezeigt hatte, dass er mich liebt, der mir nicht einmal ernsthaftes Interesse seinerseits an mir zeigen konnte. Und die große Liebe zu einem Vater, einfach weil er mein Vater ist und ein unsichtbares Band uns verbindet. Die Zerrissenheit in mir wuchs mit diesem Gegensatz natürlich an: ich konnte nicht mehr schlafen, lag Stunden wach, bis ich mich in den Schlaf geheult hatte. An Lernen war kein Denken, auf einaml schweiften meine Gedanken weit weit weg und fanden sich bei dir wieder. Oft vergingen Stunden, in denen ich überhaupt nicht merkte, dass ich nicht lernte, sondern an dich dachte.
Ich fing an sechsseitenlange Briefe zu schreiben, sie nie abzuschicken.
Und plötzlich ging alles so schnell: ich wollte dich sehen und wir trafen uns. Jedoch wollte ich nicht, dass du meine Mam in irgendeiner Art und Weise erwähnst. Drei mal trafen wir uns. Dann war wieder Totenstille. Aber ich durfte dich etwas "kennenlernen", erfahren.

Dieses Mal, wollte ich dir als deine volljährige Tochter entgegentreten, die dich ein Stück weit besser kennenlernen wollte -nicht mehr als den liebevollen Vater, den ich mir als Kind gewünscht hatte, eine Person zum anlehnen- sondern als Person. Deinen Charakter. Wollte mehr über dein jetziges Leben erfahren. Über deine Kindheit. Darüber wie du meine Mam und eure Ehe erlebt hast.
Leider scheinst du das nicht zu begreifen.
Nein, anstatt zu verstehen, dass ich das Leben meines Vaters kennenlernen wollte, denkst du, vielleicht auch angestiftet durch deine Freundin, ich wolle dir nur das Geld aus der Tasche ziehen um im Saus und Braus zu leben, was ich nicht tue. Für dich mag es vielleicht so aussehen, als würde ich in Geld in Überfluss leben: eine Wohnung mitten in München, einen Hund und Urlaube. Aber das ist totaler Blödsinn.

Ich hoffe du wirst verstehen, dass ich DICH kennenlernen wollte, mal wieder die Hoffnung hatte. Finanzielles spielte dabei keine Rolle, wobei uns beiden ja trotzdem klar sein muss, dass dieser Aspekt auch existiert, ich dafür aber nichts kann- das ist das Werk von dir und meiner Mam.

Solltest du dich nicht mehr verarscht fühlen oder sonstiges:
DU HAST EINE TOCHTER DIE DICH KENNENLERNEN WILL